Mein Fahrrad und ich – eine never ending lovestory

Part 1: Es ist, was es ist, sagt die Liebe  

Samstagmorgen. Gebrauchtfahrradmarkt. Die rumänisch-russisch-arabischen Fahrrad-Schlepper-Studenten-Nepper-Banden haben die wirklich gewinnbringenden Stücke bereits verkauft. Schönheitsschlaf wird bestraft: Wer samstags länger schläft, darf nur noch auf der Resterampe fischen.

Kandidat eins macht mir schmerzlich klar, dass ich seit mindestens fünf Jahren auf keinem Fahrrad mehr saß. Ich dachte immer, Fahrradfahren verlernt man nicht. Lüge! Ich fühle mich wie ein Kleinkind ziemlich wackelig auf den Reifen. Ich wünsche mir Stützräder und überlege kurz, ob ich diesen Wunsch laut äußern sollte. 

Kandidat zwei hätte ich fast gekauft. Und hätte einen Riesenfehler gemacht. Er ist knallgrün mit Blümchenprint und Cruiser-Lenker, macht optisch ganz schön was her und blendet mich mit seiner farbenprächtigen Balz-Bekleidung. Aber wie das so ist mit den eitlen Fatzken: Die inneren Werte stimmen nicht. Das Schutzblech ist falsch montiert, die Pedale locker. Der Gebrauchtfahrräder-Markt-Security-Mann stellt lautstark die Verkäuferin bloß, die mir eigentlich ganz sympathisch war. Bis mir klar wird, dass sie versucht hat, mir Schrott zu verkaufen. 

Kandidat drei ist zweckmäßig, aber unbequem. Und vielleicht auch einen Ticken zu groß. Meine Füße berühren kaum den Boden und ich habe das Gefühl zu fliegen. Schweiß bricht aus und Frustration macht sich breit. Ich befürchte bereits, kein Fahrrad mehr zu bekommen. Dabei habe ich nicht mal besonders hohe Ansprüche, sondern eher Flugangst. 

Aber dann bist da du. Du hast die Farbe meines Rocks und mein Rock hat die Farbe meiner Haare. Lila. Alle sehen es sofort, vom Fahrradverkäufer (der übrigens auch, allerdings geschickter, versucht, mir Schrott zu verkaufen) über den Security Mann bis zu meinem Freund: Es ist Schicksal. 

Und wie wir da so gemeinsam beieinander stehen, in der zaghaften Oktobersonne, die unser erstes Treffen in goldenes Licht hüllt und für immer auf meine Erinnerungsfestplatte einbrennt, wartet ein halber Gebrauchtfahrradmarkt darauf, dass wir eine Testfahrt machen. 

Also steige ich auf, verschmelze mit dir. Wir sind der Lila Launebär auf zwei Rädern, wir genießen unsere fünf Minuten Ruhm im lila Glanz meiner Haare und im goldenen Glanz der Oktobersonne, während mehrere Fahrradhändler darauf warten, uns endlich miteinander zu verkuppeln.  

Das muss so. Das perfekte Paar. Wie füreinander gemacht. 

Ja. Ja. Ja. 

Die Frage „Zu dir oder zu mir?“ stellt sich nicht. Komm, komm zu mir. Ich nehm dich mit nach Hause. 

Das Schloss zum Anketten gibt es gratis oben drauf. Weil wir einfach so gut zusammen passen. Und weil der Fahrradhändler zu einem passablen Preis Schrott verkauft hat. Und schließlich will ich dich nie wieder loslassen, nie wieder gehen lassen. Denn ich weiß noch nicht, was ich heute weiß. 

Zärtlich schiebe ich dich nach Hause, posiere für ein Foto vor dem Haus und schicke das Bild direkt an meine Eltern. Sie sollen sehen, welch großartigen Fang ich gemacht habe. Sie sind begeistert. Du seist ein bisschen klein, aber die Farbe sei ja wohl perfekt. Und überhaupt – bianchi – eine gute Marke sei das. Neu koste ein solches Rad mindestens das Fünffache.  

An diesem Tag lerne ich zwei Dinge: Man sollte sich auch über die kleinen Dinge im Leben so richtig  freuen. Und: Ich kann ja doch noch Fahrrad fahren.  

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Dieser Beitrag ist Teil meiner Fahrradgeschichten, die im Rahmen der Blogparade I want to ride my bicycle erscheinen.Direkt zu Part 2: Peng!

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3 Gedanken zu “Mein Fahrrad und ich – eine never ending lovestory

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